Rügen  - (k)eine Fahrradinsel?

Ein kleiner Reisebericht 

(Sorry an der Stelle schon mal für die teilweise schlechten Bilder, die ich mit meiner leicht defekten Handykamera gemacht hab - ich hatte eigentlich nicht vor einen Blog zu schreiben :-)


Es beginnt – wie so oft – mit dem Zugticket. Ich sitze Zuhause und buche einige Wochen vor Urlaubsbeginn ein Zugticket für mich und mein Rad. Also für mich. Denn ein Fahrradticket für die ICE-Strecke von Freising nach Berlin bekomme ich für einen Freitag im August nicht mehr. Außer ich nehme eine Reisezeit von 16 h über Nacht in Kauf. Da ich mich im Urlaub aber nicht primär von der Anreise erholen will, entscheide ich mich dagegen und buche erstmal nur mein Ticket. Meine Eltern, die ich in ihrem Urlaub auf Rügen besuche, haben mir zwar angeboten mein Rad im Auto mitzunehmen, aber ich bilde mir ein, dass ich mein Rad in den 4 Tagen, die sie mir voraus sind, ganz sicher nochmal brauche…  Außerdem könnte das Wetter bei Ankunft ja so grandios sein, dass ich direkt von Stralsund auf die Insel radeln will (und das lohnt sich!). 

Einen Ausweg aus dem Fahrradticket-Dilemma finde ich dank des Tipps einer Freundin. Sie besitzt eine leichte Tasche, in der ein Cross- oder Rennrad genug Platz hat, wenn das Vorderrad ausgebaut ist (Link dazu siehe ganz unten). Denn in diesem Fall benötigt man kein extra Fahrradticket. Ich übe das Verpacken kurz in der Garage und frage mich natürlich schon, wo ich das sperrige Ding im ICE dann „verstecken“ soll. Neben mir sitzen kann es schonmal nicht. Aber dazu später mehr. 

 

Freitagmorgen (5:09 – genau meine Zeit – NICHT) geht es dann in Freising los. Rad ist, dank Garagen-Generalprobe, schnell verpackt und ich staune nicht schlecht über die Menschenmassen, die um diese Uhrzeit in den Zug einsteigen oder bereits im Zug sitzen. Meine Verpackung scheint Eindruck zu schinden, denn alle Springen auf, um mir Platz zu machen – es wird ein guter Tag! Kurz danach kommt der Schaffner. Entgegen dem Erfahrungsbericht eines Freundes, der einige Diskussionen mit einer ähnlichen Tasche hatte (gut, bei ihm hat das Vorderrad rausgeschaut), kommentiert der Schaffner mein Gepäckstück mit: „Das is ja toll – da braucht man auch kein Fahrradticket oder?“ Ich verneine leicht überrascht und wir freuen uns gemeinsam dass ich Geld gespart hab und er kein Ticket kontrollieren muss – es wird ein richtig guter Tag! 

 

Im ICE von München nach Berlin finde ich Platz zwischen einer Glas-Schiebetür und meinem Sitz. Auf der Fahrt von Berlin nach Stralsund üben wir uns alle in Fahrrad- und Mitfahrer-Tetris. Der Zug ist gerammelt voll aber ich merke, dass ich mit meiner schmalen Verpackung durchaus einen Vorteil habe. Am meisten Platz nehmen dabei die Packtaschen der E-Bikefahrer ein, deren Inhalt wohl auf alle erdenklichen Klimazonen ausgerichtet ist. 

 

In Stralsund verpasse ich meinen Anschlusszug und entscheide einfach die 45 km mit dem Fahrrad weiterzufahren. Beim Einstellen meiner Sattelhöhe schrotte ich dann, wie auch immer, das Gewinde der Sattelklemmung und fahre erstmal, wie auf einem Kinderfahrrad mit lockerer Sattelstütze, den nächstbesten Radladen an, die mir völlig unkompliziert die Klemme schnell tauschen.  

Endlich kann ich los und komme dank Komoot auf einen schönen Radweg der Richtung Inselmitte führt. Kurz vor Bergen will mich Komoot dann auf eine Bundesstraße leiten. Da ich mich überdurchschnittlich unwohl auf vielbefahrenen Straßen fühle, umfahre ich die Straße und komme auf einem deutlich schöneren Weg nach Bergen. Ich treffe meine Eltern wenig später in einem kleinen Ort kurz vor der Unterkunft und wir fahren gemeinsam das letzte Stück mit dem Auto zur Ferienwohnung. Im Auto klären mich meine Eltern auf, dass ich von der Ferienwohnung aus nicht mit dem Rad oder zu Fuß losstarten kann, weil die an einer vielbefahrenen Bundesstraße (ohne Rad- oder Fußwegen) liegt und viel zu gefährlich ist. Meine Laune sinkt sofort in den Keller und ich recherchiere fieberhaft bei Googlemaps, ob das stimmen kann. Und tatsächlich muss ich erstmal, um schnell von der Bundesstraße zu kommen, 300 m in eine Richtung sprinten, um auf einen Plattenweg abbiegen zu können. Die Vermieterin erzählt uns, dass schon lange ein Radweg an dieser Straße gebaut werden soll, die Landwirte dafür aber keine Feldanteile hergeben wollen oder nur für einen horrenden Betrag. Ich bin ein wenig irritiert, da sowohl Komoot als auch die Radlkarte meines Vaters (der immer eine Papierkarte im Rucksack hat – egal wo wir sind) aus welchem Grund auch immer, die Straße als offizielle Radstrecke deklariert. Und tatsächlich fahren in den kommenden Tagen immer wieder Radfahrer auf dieser Strecke, da die Alternativen fehlen. 

In den nächsten Tagen erkunden wir die Insel in alle Himmelsrichtungen und erleben die ganze Bandbreite der Fahrraderlebniswelt. Von wunderschönen Radwegen bis hin zu gefährlichen Bundesstraßen-Abschnitten à la Ferienwohnung ist alles dabei. Rügens Radfahrer haben ein Problem: wenn man doch mal ein Stück auf einer größeren Straße fahren muss, ist sie garantiert voll mit Autos. Denn auf Rügen fährt man, trotz akkufreundlicher Entfernungen, eher mit dem Auto als mit dem Rad. Und man merkt an vielen Stellen: die Autos gehen vor. Und die Autofahrer sind nicht immer im entspannten Urlaubsmodus.  

Als fahrradfreundliches Event stellt sich dagegen ein Besuch auf Hiddensee heraus. Auf dieser Insel gibt es (fast) keine Autos, was bedeutet, dass alle ihr Fahrrad auf die Insel mitnehmen. Auf einem Boot. Einem Boot auf das 80 Räder auf ca. 20 qm passen müssen. Meine Eltern sehen mir die Panik an, denn ich möchte nicht, dass mein Rad inmitten eines E-Bike-Scheiterhaufens vergraben wird. Nebenbei gesagt müssen meine Eltern viel mit mir durchmachen: Ich bin extrem stolz, dass mein Carbonrahmen nach 2 Jahren so gut wie keinen einzigen Kratzer hat und suche meine Fahrrad-Abstellorte mit der gleichen Sorgfalt eines Hundes aus, der einen besonderen Ort für sein Geschäft auskundschaftet. Ich überlege mir eine Taktik wie mein Rad und meine Nerven heil nach Hiddensee kommen und lasse einfach alle vor, denen es nicht schnell genug gehen kann auf’s Boot zu kommen. Das sind alle außer mir und einem weiteren Mann, der anscheinend eine ähnliche Taktik hat. Wir kommen ins Gespräch und wie soll es auch anders sein – er arbeitet auch im Fahrradladen. 

Wer eine sportliche Radeinheit auf Hiddensee absolvieren will, ist hier allerdings falsch – die Insel ist zu kurz und die Anzahl an Radfahrern für höhere Geschwindigkeiten zu hoch (zumindest im August). Schön ist es trotzdem – oder vielleicht auch genau aus diesem Grund 😉?

 

Die Radwege sind teilweise, wie auf dem Bild zu sehen, ein wenig "uneben". Es empfiehlt sich deshalb mit etwas breiteren Reifen zu fahren - da freuen sich Hände und Hintern...

 

Schön sind auch die vielen Gartencafés, die es auf Rügen gibt. Unser Tagesablauf bestand primär darin die Insel per Fahrrad zu erkunden und dabei die schönsten Cafés zu entdecken – und wir wurden für die Suche belohnt. Eine kleine Auswahl unserer Lieblingscafés findet ihr unten

Es ist noch ein weiter Weg bis Rügen eine besonders fahrradfreundliche Insel wird. Und die Frage ist, ob sie das überhaupt werden wollen. Als Luftkurort wäre es in meinen Augen erstrebenswert. Ich für meinen Teil werde meine Erfahrungen (sowohl positiv als auch negativ) an den Rügener Tourismusverband weitergeben. Vielleicht ist es ein kleiner Beitrag zu einer besseren Fahrradwelt. 


 

Unsere Lieblings-Cafés: 

Zur kleinen Rast

Kojenhus Garten-Café

Café Zuckerkuss

 

Meine Fahrradtasche: 

TranZbag